Gesprächstipps - Du+Ich=Österreich
#lasstunsreden

Gesprächstipps

1 —
Warum reden wir eigentlich?

„Nicht die Widerlegung ist das erste Ziel des Miteinander-Redens, sondern das Erkennen des anderen in seiner Andersartigkeit, vielleicht auch Fremdheit“, sagt der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun im Gespräch mit dem Medienwissenschafter Bernd Pörksen in „Die Kunst des Miteinander-Redens. Über den Dialog in Gesellschaft und Politik.“ (2020).

„Die Art und Weise des Sprechens und Streitens ist der entscheidende Gradmesser demokratischer Vitalität. Wir bringen die Welt, in der wir leben, erst im Miteinander-Reden hervor. Demokratie und Liberalismus basieren auf der Prämisse, dass das Miteinander-Reden Sinn macht und gelingen kann, dass die Aushandlung von Kompromiss und Konsens erstrebenswert und machbar ist und dass es sich lohnt, ins Gespräch mit der begründeten Hoffnung einzutreten, dass der gute Dialog ein Geburtsort der Vernunft ist. Das ist die Prämisse, mit der das große Gespräch der Gesellschaft beginnt.“ 

2 —
Tipps für ein Gespräch bei einer Meinungsverschiedenheit.

(A) Bevor du das Gespräch beginnst:

Wo und wann sollte ich das Gespräch suchen?
Nicht immer hat man die Zeit und Energie, sich auf ein Gespräch einzulassen. Das gilt es bei einem selbst genauso wie beim Gegenüber zu respektieren. Wenn du ein Gespräch proaktiv suchst, überleg dir, wie der Rahmen dafür sein muss, damit du dich dabei wohlfühlst. Vor allem, wenn du damit rechnest, dass es zu Unstimmigkeiten kommen kann. Du darfst und sollst Rahmenbedingungen festlegen und genauso kann es dein Gegenüber.

Welche Grundhaltung sollte ich einnehmen?
Dabei kommt es vor allem darauf an, die emotionale Situation der anderen Person zu verstehen. Also wie sie über bestimmte Themen denkt und fühlt.
Drei wichtige Grundprinzipien der Gesprächsführung sind:

  • Empathie: die andere Person wirklich verstehen wollen.
  • Wertschätzung: Der anderen Person mit Respekt und Wertschätzung begegnen, auch bei gegensätzlichen Meinungen.
  • Echtheit: „Greifbar“ bleiben, die eigene Meinung nicht verstecken und Emotionen zeigen.

 

(B) Wenn du das Gespräch beginnst:

Welche Fragen soll ich stellen?
Offene Fragen helfen, das Gespräch am Laufen zu halten und zu vertiefen. z.B.:
„Erzähl mir mehr darüber…“
„Kannst du mir dafür ein Beispiel geben?“
„Was meinst du damit?“
„Kannst du mir beschreiben, was/wann/wie?“

Vermeide WARUM-Fragen. Es geht nicht darum, dass die andere Person oder du deine Gefühle oder die Situation rechtfertigt. Die WARUM-Frage kann Druck aufbauen, so wirken als würde man die andere Person unter Rechtfertigungs-/Erklärungszwang stellen: deshalb sind Fragen wie: Was können wir machen? Was wäre dir lieber, wenn wir nicht machen? viel hilfreicher, um die Person und die Situation zu beruhigen.


Wie verhalte ich mich im Gespräch?

Sei aufmerksam.
Leg das Handy weg, lass dein Gegenüber ausreden und lass auch Pausen zu.

Zeig, dass du zuhörst.
Durch kleine Signale wie nicken, zusammenfassen und nachfragen, ob du das Gesagte richtig verstanden hast.

Behalte einen offenen, wachen Geist.
Auch wenn du etwas hörst, bei dem du anderer Meinung bist. Denn das ist ja auch ein Grund für ein Gespräch – nur Selbstbestätigung brauchst du nicht!

Zeige Einfühlungsvermögen ohne Mutmaßungen.
Lass die andere Person wissen, dass du versuchst zu verstehen, wie sie sich fühlt.

Versuche nicht, die andere Person von deiner Meinung zu überzeugen.
Du kannst deine Meinung ruhig offen sagen, aber akzeptiere die Meinung der anderen Person und bring das auch zum Ausdruck.

Sprich nicht nur über die polarisierenden Themen.
Zum Beispiel: geimpft oder ungeimpft. Sprich über das, was verbindet, zum Beispiel das (gemeinsame) Leiden unter den Folgen der Pandemie oder andere gemeinsame Themen.

3 —
Tipps zum Konfliktmanagement.

Wenn der Konflikt doch wieder aufflackert, helfen diese Tipps für ein besseres Streiten.

1. Versuche Brücken zu bauen.
Dafür hilft es, sich bewusst zu machen, dass verstehen, Verständnis und Einverständnis drei verschiedene Paar Schuhe sind. Ich kann die Position der anderen Person verstehen und Verständnis dafür aufbringen, muss aber nicht mit allem einverstanden sein, was sie tut.

2. Setze Grenzen gegenüber Aggression und Abwertung.
Wenn der/die andere dir gegenüber abwertend oder aggressiv wird, setze eine klare Grenze (ich sehe wir kommen hier nicht weiter, wir beenden das lieber hier, so bringt das Gespräch nichts).

3. Dialog ist nicht ein Monolog zu zweit.
Versuche zu verstehen, versuche nicht zu überzeugen. Es geht nicht darum, sich schon das nächste Argument zu überlegen, während der/die Andere noch spricht. Brich aus, aus der „Entweder oder“-Falle  – es gibt ein „sowohl als auch“. Und auch mal ein: egal! 5 auch mal grade sein lassen. Zwei „wunderschöne Meinungen“ (Watzlawick) einfach nebeneinander stehen lassen: die Welt ist nicht nur schwarz-weiß. Ich mag dich trotzdem!

4. Niemand hat alle Antworten.
Es ist nicht notwendig und es ist nicht hilfreich eine Diskussion über wahr oder unwahr zu provozieren. Die Landkarte ist nicht die Landschaft. Jeder hat nur einen Teil der Wahrheit – sieht nur einen Teil des Ganzen.

5. Suche nach der Lösung, nicht nach Schuldigen:
Nicht du bist das Problem – sondern: wir haben ein Problem, wie kriegen wir das wieder hin?

6. Beobachtung ohne Bewertung.
Sich selbst beim Kommunizieren zu beobachten, heißt auch den Unterschied zu bemerken: spreche ich gerade von einer Beobachtung oder fange ich schon an zu interpretieren? Verwende ich Bewertungen und auch abwertende Worte? Möglichst wenig bewerten, möglichst wenig interpretieren, möglichst sachlich beschreiben.

7. Achte auf die eigene Emotionsregulierung.
„Cool-down-Methoden“ sind Notbremsen, die Distanz schaffen; Sicherheitsabstand wieder herstellen, bewusst langsameres Ein-und Ausatmen, innerlich bis 10 zählen, bevor man weiterspricht, aufstehen/herumgehen. Vorbeugung: allgemeine sportliche Betätigungen und/oder regelmäßige Entspannungsübungen aller Art, wie etwa autogenes Training, Meditation, Yoga, progressive Muskelentspannung nach Jacobson usw. Diese helfen, insgesamt die Schwelle höher zu legen, ab der man „in Not“ kommt.

8. Erkenne, wann das Gespräch beendet ist.
Sogar den besten Unterhaltungen geht irgendwann die Puste aus oder sie werden durch eine Unterbrechung beendet. Verabschiede die beteiligte Person und bedanke dich für die nette Unterhaltung. Wenn man in einer positiven Stimmung endet, wird dies einen guten Eindruck hinterlassen und später im Bedarfsfall zu weiteren Gesprächen führen!

4 —
Tipps bei einem Streit im Freundeskreis.

Damit ein Streit nicht die Beziehung zu einem lieb gewonnenen Menschen gefährdet.

1. Wechsle auf die Beziehungsebene.
Wenn du mit einer Person sprichst, die du kennst, zu der du eine Beziehung hast und auf der Inhaltsebene nicht weiterkommst, wechsle auf die Beziehungsebene: ich möchte unsere Beziehung nicht aufs Spiel setzen, nur weil wir in dem Punkt unterschiedlicher Meinung sind. Lass uns über das reden, was uns verbindet, nicht über das, was uns trennt, ich möchte dich nicht als Freund/in verlieren.

2. Zeige deine Wertschätzung.
Auch wenn ihr inhaltlich unterschiedlicher Meinung seid, zeige der anderen Person deine Wertschätzung. Anerkenne den/die andere/n, so wie er/sie ist. Zeig und sag das deutlich. Mach jemandem ein ehrliches Kompliment.

3. Bleib dran.
Nicht nur einmal, sondern öfter zeigen, dass die andere Person dir wichtig ist. Schreib wieder ein SMS oder ruf wieder an. Teil ein gutes Lied mit jemandem. Lade auf einen Kaffee ein. Ruf nach langer Zeit jemanden an. Klar-machen, dass man die andere Person trotz der Meinungsverschiedenheiten mag. Die Botschaft soll sein: Du bist nicht allein!

4. Such nach positiven Gemeinsamkeiten.
Die gemeinsame Suche nach sinnstiftenden Erfahrungen schweißt zusammen. Sprich über das, was dir wertvoll ist, und versuch zu verstehen, welche Werte der anderen Person wichtig sind.

5. Schaffe gemeinsame positive Erlebnisse.
Wenn ihr gemeinsame Sportarten habt, nutzt das, wenn ihr die Natur liebt, geht gemeinsam ins Freie, wenn ihr Musik mögt, teilt das. Versuche das Positive an eurer Beziehung zu sehen:  wie hat es begonnen? Erinnert euch gemeinsam an bereits bewältigte Krisen, Streits, gemeinsame positive Erfahrungen.

6. Nutze Humor:
Bring jemanden zum Lachen, aber pass auf, dass du nicht auf seine/ihre Kosten Witze machst.

7. Gib Unterstützung.
Frag, was dein Gegenüber gerade braucht, z.B.: Hilfe bei der Jobsuche, bei der Kinderbetreuung, beim Einkaufen,…

8. Wechsle das Thema.
Worüber man nicht sprechen kann, kann man auch gerne schweigen – und was anderes machen. Idealerweise, indem man betont, dass man zwar nicht überall einer Meinung ist, dass man einander aber trotzdem versteht und mag und sich daher auf diese Bereiche konzentrieren will, um die Beziehung zu pflegen.

Quellen

Brown, Brené (2021), Atlas of the heart – Mapping Meaningful Connection and the Language of Human Experience, Random House

Haas, J. G. (2020). COVID-19 und Psychologie. Springer VS, Wiesbaden

Kleeberg, Berg im DLF Interview zu “Meine Wahrheit, deine Wahrheit” https://www.deutschlandfunkkultur.de/corona-debatte-und-der-wahrheitsbegriff-100.html

Pörksen, B., & von Thun, F. S. (2020). Die Kunst des Miteinander-Redens: Über den Dialog in Gesellschaft und Politik. Carl Hanser Verlag GmbH Co KG.

Schienle, W., & Steinborn, A. (2016). Psychologisches Konfliktmanagement: Professionelles Handwerkszeug für Fach-und Führungskräfte. Springer-Verlag.

Außerdem zum Umgang mit Verschwörungsmythen (hier aber nicht im Fokus!)

Nocun, K., & Lamberty, P. (2020). Fake Facts: Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen. Bastei Lübbe.

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